Arbeit lohnt sich weiterhin – Replik zu Äußerungen der Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf

In Bezug auf die Äußerungen der Eisenacher Oberbürgermeistern Katja Wolf, stellt die Thüringer Bundestagsabgeordnete Tina Rudolph (SPD) klar: Es ist nicht nur sachlich falsch zu behaupten, Arbeit lohne sich nicht mehr – es ist unredlich und gefährlich, Geringverdienende und Sozialleistungsbeziehende gegeneinander auszuspielen. Empfundene Ungerechtigkeiten werden nicht besser, wenn man nach unten tritt oder denjenigen, die dazu aufrufen, nach den Munde redet. Eine solidarische Gesellschaft darf niemanden hängen lassen, der in Not geraten ist, und muss gleichzeitig diejenigen im Blick behalten, die ihren Beitrag für die Gemeinschaft leisten. Genau das tun wir. 

Für die Regierungskoalition- insbesondere für die SPD- ist klar, dass wir in Deutschland einen funktionierenden Sozialstaat brauchen. In einem solchen ist Solidarität keine Einbahnstraße. Deswegen gilt – entgegen mancher Behauptung — auch weiterhin: Die Aufnahme zumutbarer Arbeit oder von Qualifizierungsmaßnahmen bei Leistungsbezug ist weiterhin sowohl moralische und Pflicht als auch rechtlich unterlegt. Und ich appelliere ebenfalls ganz klar an diejenigen, die arbeiten könnten und es nicht tun. Diejenigen müssen sich darüber klar sein, dass sie damit die Unterstützungsbereitschaft für unser Sozialsystem verringern. 

Wer zumutbare Arbeit oder Angebote zur Qualifizierung ablehnt, muss weiterhin mit Leistungskürzungen von bis zu 30% rechnen. Mit der Einführung des Bürgergeldes wurde allerdings ein Systemwechsel vollzogen, der ein ineffektives System verändern soll. Die (Weiter-)Qualifizierung steht im Vordergrund, damit es nicht mehr die Regel ist, dass sich Leistungsempfänger über viele Jahre von einem prekären Job zum nächsten hangeln. Wir wollen in einer solidarischen Gesellschaft jedem Menschen die besten Chancen auf berufliche Entwicklung geben. Das entlastet auf Dauer unsere Sozialsysteme und trägt zum sozialen Frieden in unserem Land bei. 

Wer also (im besten Fall nur temporär) nicht für den eigenen Lebensunterhalt sorgen kann, ist durch das Bürgergeld abgesichert. Gleichzeitig gilt: Arbeit muss sich lohnen. Arbeit ist dabei mehr als Broterwerb, sie bringt auch Austausch und Anerkennung – und später eine vernünftige Rente. Wer arbeitet, hat die Chance auf Aufstieg, auf mehr Geld und Wohlstand aber natürlich auch die klare Erwartung, im Hier und Jetzt mehr Geld zur Verfügung zu haben als diejenigen, die keiner Arbeit nachgehen. 

An welchem Ende scheitert es jetzt aber, wenn das Gefühl entsteht, dass dieses Verhältnis nicht stimmt? 

Das Bürgergeld deckt den Grundbedarf ab, den Menschen brauchen und folgt einer Berechnungsgrundlage, die unter anderem die Preis- und Lohnentwicklung berücksichtigt. 

Gleichzeitig haben wir unseren Sozialstaat so aufgestellt, dass man mit Arbeit finanziell besser dasteht als würde man nur Sozialleistungen beziehen. Mit Einführung des Bürgergeldes profitieren z.B. Menschen, die arbeiten, aber so wenig verdienen, dass sie ergänzend auf Grundsicherung angewiesen sind, durch deutlich höhere Einkommensfreibeträge. Dies kann der Fall sein, wenn nur ein Teilzeiterwerb möglich ist, z.B. bei Alleinerziehenden. Wer für 520 bis 1000 Euro im Monat arbeitet, bekommt 30 Prozent davon nicht angerechnet. Bei Schülern, Studierenden, Auszubildenden und Freiwilligendienstleistenden unter 25 Jahren wird Einkommen aus Job, Ausbildung oder Taschengeld aus Freiwilligendienstarbeit bis zur Höhe der Minijobgrenze (derzeit: 520 Euro) nicht mehr angerechnet. Gerade diejenigen, die aus einer Familie stammen, die Sozialhilfe bezieht, haben so einen echten Anreiz, eine Ausbildung zu machen oder arbeiten zu gehen. Das zeigt ganz klar: Arbeit lohnt sich! Niedrigere Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für Geringverdienende ohne Abstriche bei der Rente sind ebenfalls zusätzliche Anreize zu arbeiten, dazu kommt die Erhöhung des Wohngeldes: Seit dem 1. Januar 2023 haben neben Rentnerinnen und Rentnern, vor allem rund 2 Mio. Haushalte mit kleinem Einkommen Anspruch auf Wohngeld. Das sind dreimal mehr als zuvor. Das Wohngeld kommt damit ebenfalls gerade Familien und Alleinerziehenden zugute, die trotz Arbeit mit niedrigen Einkommen auskommen müssen. Ebenfalls zur Unterstützung arbeitender Eltern wurde zum 1. Januar 2023 auch das Kindergeld auf 250 Euro pro Kind erhöht – denn erwerbstätige Eltern profitieren vom Kindergeld, während es auf die Sozialhilfe angerechnet wird. Neben dem Kindergeld wurde auch der Kinderzuschlag deutlich angehoben. Er unterstützt Eltern, bei denen das Erwerbseinkommen nicht- oder nur knapp reicht, um für den gesamten Bedarf der Familie aufzukommen. Sie bekommen zusätzlich zum Kindergeld einen Kinderzuschlag von bis zu weiteren 250 Euro pro Monat pro Kind – auch ein echter Anreiz für Eltern, zu arbeiten. 

Es stimmt, dass viele der aufgezählten Leistungen beantragt werden müssen. Das müssen und wollen wir zukünftig vereinfachen. Aber wenn man all diese Dinge berücksichtigt, dann stehen diejenigen, die arbeiten, besser da. All das sollte man in einer Debatte um Einkommen und Leistungen im Sinne der Transparenz auch erwähnen. 

An dieser Stelle verstehe ich den Einwand, dass diejenigen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, das Familieneinkommen nicht durch Antragsleistungen aufbessern sollten, sondern dass das Arbeitseinkommen an sich ausreichen muss. Dass das nicht immer klappt, liegt – neben den genannten möglichen Teilzeitgründen — aber vorrangig an zu niedrigen Löhnen. 

Die Lösung muss hier aber sein, statt bei der Sozialhilfe kürzen zu wollen oder das Problem auf im Wartburgkreis auf immerhin nur knapp 6% Arbeitslose schieben zu wollen, für bessere Löhne und Gehälter zu sorgen. 

Was wir brauchen, ist mehr tarifgebundene Bezahlung. Wir werden die Tarifbindung insbesondere durch die Einführung einer Tariftreueregelung auf Bundesebene stärken. Denn wo es Tarifverträge gibt, sind Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Regel besser. 

Dass eine Oberbürgermeisterin auf der einen Seite beklagt, dass in ihrer Stadt viele Menschen für den Mindestlohn arbeiten, auf der anderen Seite aber gleichzeitig Leistungsbezieher gegen diese Menschen ausspielt, ohne eine Perspektive zur Überwindung dieser gesellschaftlichen Missstände aufzuzeigen, halte ich nicht für das richtige Vorgehen, die Solidarität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stützen, der ja derzeit wahrlich oft genug angegriffen wird. Und das oft mit Falschbehauptungen. 

Als Bundestagsabgeordnete habe ich weiterhin den Anspruch, unsere Gesellschaft solidarisch zum Wohle aller zu entwickeln. Das gelingt durch eine solche Ansprache nicht. Das gelingt mit konkreten politischen Maßnahmen, mit einem klaren Kompass und einer Idee davon, wie unser Land in 10 Jahren aussehen soll.

 

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